WERKSCHAU SCHREIBEN IM NOVEMBER 2021 – Teil 1
- by Brigitte Windt
- in Bild Text Ton
- posted November 2, 2021
Werkschau SCHREIBEN IM NOVEMBER 2021 in Wort Bild Ton von Brigitte Windt
Sie wird täglich fortgeschrieben vom 01.-15.11.2021 Teil 1 und 15.-30.11.2021 Teil 2
KW 46
© Brigitte Windt 20211115
Lass das Grau links liegen
Folge den Serpentinen
Die Wendung 180°
Steh’ im Licht
Seh’ Dich
TRISTESSE
© Brigitte Windt 20211114
Du erscheinst so gnädig dieses Jahr
Lässt es leuchten an manchen Tagen
Dann wieder dimmst Du das Tageslicht
Herunter auf Depression
Verwischt Perspektiven
Und den Halt da draußen
Schürst mit dem Haken Einsamkeiten
Wärmst altes Versagen und Ängste auf
Stocherst in Sehnsüchten aller Art
Würzt mit Unerfüllt und Aussichtslos
Zur Verfeinerung rührst Du später
Ein wenig Endlichkeit hinein
Lässt es köcheln bis zur Vollkommenheit
Dein jährliches Novembersüppchen
SCHATTENTATEN
© Brigitte Windt 20211113
Am Morgen zieht er ihn wieder zu
Den Vorhang aus Alltagsgrau
Gegen Mittag lässt er Mägen knurren
Verlangen nach alter Tradition
So tragen sie schwerer als sonst beladen
An Kraut, an Knödeln und Gänsebraten
Die Arbeit wird auf morgen verschoben
Denn heute ist Verdauungstag
Am Nachmittag streut er Melatonin
Ins Blut, lässt Bäuchlinge nickern
Die schrecken auf nach Tiefschlafminuten
Erinnern sich an Nikolaus
Er lässt Temperaturen und Regen fallen
Senkt Stimmungsbarometer
Bis er Stimmen hört, die über ihn sprechen
Zu nass, zu kalt, sie fühlen sich alt
Er bedeckt das Licht fast jeden Tag
Da hüsteln und krächzen sie wie die Raben
Er lässt die letzten Blätter fallen
Hängt graue Schleier in die Äste
Auch vor ihre Fenster, sieh nur, sieh
Damit sie endlich verstehen
SCHATTENGEFLÜSTER
© Brigitte Windt 20211112
Blätter rascheln
Er kommt er kommt
Schritte schritteln
Dumpf und fest
Ein Windhauch huscht
Durch den Türspalt
Es dunkelt es dunkelt
Drinnen fingern Finger
Nach künstlichem Licht
Teewasserdämpfe
Heiß sehr heiß
Summen ihr Klagelied
Vom finstren Nachmittag
Scheiben beschlagen
Kinder malen
Laut quietschend
Schniefnasen
Auf ihren Grund
Jemand tastelt
Auf der Tastatur
Schattengeflüster
Von fern nahen
Kehlkopfgesänge
In Nebelschwaden
NOVEMBERKLEIDER
© Brigitte Windt 20211111
So fern von hier seh ich ihn kommen
Ringsherum Schnee überall Schnee
Wie lang noch ist gar nicht auszumachen
Er kommt näher er kommt oh weh oh weh
Mich friert schon der Anblick
Der Mantel aus Fell
Vom Kopf bis zu den Füßen
Halb weiß halb grau und etwas braun
Die Stiefel dunkel und rot gebunden
Über Kreuz ganz nach Nomadenart
Die Hände in schwarzes Leder gesteckt
Rot auch das Tuch um die Taille gewunden
Weht und tanzt im eisigen Wind
Der ihn begleitet wie ein Kind
An der Hand des Vaters
Von Nord und von Ost
So wird er heute die Stadt erreichen
Die Wärme wird für Monate weichen
Drum leg ich mir Wolle in mein Bett
Und hülle mich in Federn in Federn
GRAUSCHATTIERUNGEN
© Brigitte Windt 20211110
Nicht einmal Deine Silhouette entdecke ich
In tiefster Nachschwärze
Erst wenn der Morgen seine Boten sendet
Legst Du ihm ein erstes Schattengrau zu Füßen
Und empfängst das Licht
Eher kühl als warm
In seiner spektralen Vollkommenheit
Zart nur bricht es am grauen Gitter Deiner Gedanken
Und zerfällt in seine Schattierungen
Ton in Ton zu einer monochromen
Novembersymphonie
SCHATTENGESICHT
© Brigitte Windt 20211109
Maskenhaft
Deine Züge
Kantig rund
Augenlider
Halb geschlossen
Schmal die Nase
Ein stummer Mund
Fahle Haut, grob
Hinter grauer Nebelwand
Verschlossen
Ich kratze ein wenig
An der Eisschicht
Doch Dein Atem
Beschlägt meinen Blick
Aufs Neue
NOVEMBERGESTALT
© Brigitte Windt 20211108
Wie ein Kompaktpaket
Fest geschnürt
Dicht, ja undurchdringlich
Stellt sich Deine Gestalt
Am Morgen in der Früh
Meiner Fernsicht in den Weg
Fernsicht, ja
Ich liebe den Blick in die Weiter
Umso mehr dieser hier
Mitten in der Großstadt
begrenzt bleiben muss
Solang ich mich nicht fortbewege
An den Stadtrand
Oder auf einen der Kirchtürme
Mit Weitblick
Und Übersicht
Fernsicht wird zur Kurzsicht
Deine Gestalt ist die der
Intransparenz
Was die Weite angeht
Manchmal scheinst Du
Auf der Stelle zu stehen
Deine fellgeschnürten Stiefel
Stampfen, wirbeln Staub auf
Dein gewaltiger Körper ächzt
Bedeckt meinen Horizont
Nein, widerständig bist zu nicht
Die Frage nach Deiner Fragwürdigkeit
Klingt absurd
Bis zum Mittag
Und dann wieder zum Tee
Behält Kurzsichtigkeit die Oberhand
Ich brauche einige Tage
Bis ich einverstanden bin
Und Deiner Gestalt am Morgen
Liebend begegnen kann
HAIKU TRILOGIE
© Brigitte Windt 20211107
Freischwimmerwolke
Im Bohnentopf schluckt Chili
Rotes Scharf für dich
Halbnackte Bäume
Füße im Erdreich versteckt
Tiefsinn Rindenglück
Bratquitte in Wein
Flambiert serviert am Abend
Schwimmt in Zimtschaumcreme
NOMENGESELLSCHAFTEN
© Brigitte Windt 20211106
Am heutigen Bandwurmwörtertag
Geh ich spazieren durch den Park
Dort treff ich Suchmaschinenplünderinnen
Mit Plagiatirrtumverkennungssinnen
Schütteln locker ab das Verdachtsmoment
Das doch niemand außer ihnen wieder erkennt
Dann fischen sie munter nach Bandwurmlaichen
Für die heimische Zucht in
Badewannengewässerschaumblaseneichen
Bis zum Nikolaustag sollen die da wachsen
Dann gibts für alle
Schokoladenbaumkuchenkrümeltollkirschenfaxen
Das ist die beste Therapie
So entspannt sah man sie bis Weinachten nie
Sie merkten sich schnell, woran das lag
Am damaligen Bandwurmwörtertag
REBMEVON
© Brigitte Windt 20211105
Rebmevon
Sing dir
Lieder vom Ostwind
Entkleide nächtlich deine Körper
Graugesicht
Rebmevon
Schleichst morgengrau
Durch die Straßen
Scheuchst Rebhühner aus Nestern
Katzengeschrei
Rebmevon
Verkündest Nachtfröste
Eisige Fratze frisst
Löcher in den Pelz
Zahnlos
PERSISCH ROT KOMMT GAR NICHT VOR
Weil die Laus schneller war
Als der Rost
© Brigitte Windt 20211104
Schütt schütt
Ein wenig vom Karminrot
Mit Wasser
Wasser Wasser viel
Und taufe das Weiß
Mit dem Blau
Permanent
Permanent
Dann tupfe und zupfe
Schiebe und zieh
Wie noch nie
Wie noch nie
An den Beinen
Die weinen
Noch krallenlos
Na los na los
Hol die Feder
Und der Schnabel
Der von Babel
Möchte sprechen können
Vogel flieg Vogel flieg
Du Freier
GRAU
© Brigitte Windt 20211103
Altes Haar auf alten Köpfen
Eine Hose aus Flanell
Erschrecken vor dem Spiegelbild
Hat wangenrotes Glühen
Dem Tag überlassen
Flattert gegen Morgen
Nachtfaltrig
Meinem Blick entgegen
Schreibe trotzdem weiter
Gerate auf Abwege
Experiment digitale Taste
Huch, sehe plötzlich
Scharf beleuchtetes Grau
Von Angesicht zu Angesicht
Nächtliche Erheiterung
Nachteulen-Rouge erwacht
Unter dem Grau
Sieh mal
SCHLAFENDE NOVEMBERFRAU
© Brigitte Windt 20211102
Sie offenbaren sich schon in der Skizze
Zwei Gesichter aus der Ritze
Zwei Gestalten gemeinsam walten
Waren bisher so niemals gesehn
Auf farbigem Grund dann
Linien und Kreise
Schwemmt die Form an
Wie weise wie weise
Noch im Schlaf
Der Wind weht rau
Es offenbart sich
Die Novemberfrau
UNERHÖRT ERHÖRT
© Brigitte Windt 20211101
Mich hat heute Morgen
Der Herr in ganzer Vollständigkeit
Anmaßend und unverschämt
Gegen vier aus dem Schlaf geholt
Hatte sich längst
Zu noch früherer Stunde
In meine Schlafzeit eingeschlichen
Und meinen Träumen
Seine Bilder eingeflüstert
Frau stelle sich das vor
Das muss nun wirklich nicht
Um diese Uhrzeit sein
Entschied ich nach dem Toilettengang
Und legte mich wieder ins Bett
Doch er, der Herr
Wer ihn kennt
Weiß um seine Hartnäckigkeit
Verweilte stoisch
In maskuliner Selbstverständlichkeit
Jedes Ringen um meinen Schlaf
Machte mich nur noch wacher
Je unerhörter sein Bild mich rief
Desto deutlicher zeichnete
Es sich in meine Wachheit
Des Schlafes beraubt
Überwand ich schließlich
Den schwachem Widerwillen
Erklärte mein Einverständnis
Und erhob mich aus meinem warmen Nest
Exakt um vier Uhr dreißig